Turbulenzen

Turbulenz als Dauerzustand

Die Wechselwirkungen zwischen Land- bzw. Wasseroberflächen und der unteren atmosphärischen Grenzschicht haben einen großen Einfluss auf Eigenschaften des Windes. Somit beeinflussen sie den Ertrag von Windenergieanlagen. Die induzierte Turbulenz wirkt sich zudem nachteilig auf deren Lebensdauer aus.

ForWind analysiert die Windfelder, aber auch die im Nachlauf von Windenergieanlagen erzeugte Turbulenz und deren Einfluss auf benachbarte Anlagen im Windpark. Daraus lassen sich wichtige Informationen gewinnen, insbesondere für die Designparameter und die günstigste geometrische Anordnung mehrerer Anlagen in einem Park.

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Windenergie und Turbulenzforschung

Turbulenzen sind ein alltägliches Phänomen und treten in vielen natürlichen Systemen auf. Als Beispiel seinen die Rauchfahne einer Zigarette oder eines Schornsteines, die verwirbelten Strömungen fließender Gewässer oder atmosphärische Winde insgesamt genannt. In allen Fällen führt die Komplexität turbulenter Strömungsfelder dazu, dass eine exakte Vorhersage oder Berechnung der resultierenden Strömungen nicht mehr gelingt. Aus diesem Grunde erlangen statistische Modellvorstellungen, die vor allem durch die Ideen von Kolmogorov (1941) und Richardson (1922) geprägt sind, einen hohen Stellenwert in der Analyse turbulenter Strömungsfelder.

In diesem Arbeitsgebiet werden die kleinskaligen Turbulenzen atmosphärischer Windgeschwindigkeitsfelder mit Hilfe statistischer Modelle untersucht. Dazu werden die gewonnenen Ergebnisse mit denjenigen aus Laborexperimenten verglichen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass die Ergebnisse aus Laborexperimenten – im wesentlichen Windkanal- oder Freistrahlmessungen – bekannt und vielfach untersucht sind. Anhand dieser Ergebnisse lassen sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Laborturbulenz und der atmosphärischen Turbulenz ausmachen. Insbesondere können Rückschlüsse daraus gezogen werden, welche Eigenschaften universell in beiden Systemen auftreten und welche als spezifisch für das atmosphärische Windfeld anzusehen sind. Dabei ist das atmosphärische Windfeld deutlich komplexer als die ‚kontrollierte‘ Laborturbulenz, in der Stabiltätseffekte und orographische Inhomogenitäten ausgeschlossen werden können. Insbesondere ist der atmosphärische Wind hochgradig instationär, während sich im Labor leicht stationäre Strömungen erzeugen lassen.

Besonderes Augenmerk wird auf die Problematik von Windböen gelegt. Dabei wird unter anderem der Frage nach einer physikalischen Struktur von Windböen nachgegangen. Es hat sich im Verlaufe der bisherigen Untersuchungen gezeigt, dass Böen durch die anomale Statistik der kleinskaligen, atmosphärischen Turbulenz erklärt werden können.

Atmosphärische Turbulenz

Die genaue Beschreibung atmosphärischer Windfelder ist von großer Bedeutung, insbesondere für die Nutzung der Windenergie. Die komplexe und nicht-stationäre Struktur dieser Felder macht ihre Charakterisierung allerdings zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Wir konzentrieren uns dabei auf den turbulenten Anteil des Windes, also Fluktuationen auf relativ kleinen räumlichen und zeitlichen Skalen, und nutzen dabei unsere Erfahrungen in der Turbulenzforschung. Solche Fluktuationen sind als Windböen jedem aus eigener Erfahrung bekannt. Sie gehorchen der besonderen Statistik der Turbulenz, welche zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit extremer Fluktuationen führt (dies wird auch als Intermittenz bezeichnet). Die Folge sind unter anderem große Schwankungen sowohl der mechanischen Belastung als auch der abgegebenen Leistung von Windenergieanlagen.

Bisher basiert im Bereich der Windenergie die Beschreibung des Windes vorwiegend auf Mittelwerten und Standardabweichungen der Windgeschwindigkeit in Zehn-Minuten-Intervallen. Damit können jedoch die besonderen Eigenschaften der Turbulenz nicht erfasst werden. Unser Ansatz versucht dagegen, die Statistik der Fluktuationen mit wenigen Parametern umfassend zu beschreiben.

Windkanalmessungen

Da sich heutzutage selbst mit modernsten Computern viele strömungsmechanische Probleme nicht oder nur näherungsweise berechnen lassen, müssen viele Fragestellungen durch Messungen an Modellen  beantwortet werden. Der Windkanal der Universität bietet dabei mit  einem Strahlquerschnitt von 1,0m x 0,8m die Grundlage für eine  Vielzahl von Messungen, wie Zylindernachlauf, Windenergieanlagen- und  Windparkmodellen oder neuartige Anemomter. Dabei stehen eine Reihe von  Standardmessmethoden, wie druckmessende Sonden, ein und  mehrdimensionale Hitzdrähte sowie Laser-Doppler-Anemometer zur  Verfügung.

Von besonderem Interesse ist auch die Möglichkeit, für Kraftmessungen  an Flügeln die Messstrecke zu schließen. Dabei werden Auftriebs- und  Widerstandskräfte berührungsfrei über die Druckverteilungen hinter dem  Flügel und auf den Windkanalwänden erfasst. Dies ermöglicht auch  Messungen bei sich schnell ändernden Anstellwinkeln des Flügels, da  hier starke, kurzzeitige Auftriebskräfte auftreten können (Dynamic  Stall). Diese müssen für passende Modelle gut bekannt sein.

Modell-Windenergieanlagen

Bis zum Jahr 2030 sollen auf der Nord- und Ostsee 15GW durch Offshore-Windenergie bereitgestellt werden. Fossile Energien sollen immer weiter durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Die Windenergie spielt bei diesem Umschwung eine große Rolle. Auf Grund verschiedener ökonomischer und ökologischer Faktoren werden Windenergie-Anlagen in Parks aufgestellt. Diese werden vermehrt Offshore errichtet. Der Bedarf an zuverlässigen Vorhersagen über das Verhalten des Windes und Windschwankungen ist nach wie vor sehr hoch, da der vorherrschende Wind die Quelle der Energie, aber auch zeitgleich eine Quelle für erhöhte Lasten an Windenergieanlagen ist. Das Verständnis über das Verhalten des Windes (z.B. Richtung und Geschwindigkeit) innerhalb eines Windparks ist essenziell um die vorhandene Energie effizient zu nutzen und gleichzeitig Ausfälle der Anlagen zu vermeiden. Die Vorhersagen werden überlicherweise mit numerischen Simulationen erstellt, die, auf Grund der Komplexität der Strömung, mit vereinfachten Modellen versuchen verschiedene Situationen im Park zu beschreiben.

Diese Modelle müssen überprüft werden, was in Freifeldversuchen im Windpark technisch schwierig und sehr teuer ist, da es nicht möglich ist die Einströmungsbedingungen einzustellen und alle Parameter zu vermessen. Aus diesem Grund werden an der Universität Oldenburg Windkanal Experimente mit Modell-Windenergie-Anlagen durchgeführt. Im Windkanal können definierte Strömungssituationen unter reproduzierbaren Bedingungen durchgeführt werden, was sehr flexible und kostengünstige Möglichkeiten bietet ein tieferes Verständnis zu erlangen und so das Verbessern von numerischen Modellen und letztendlich von realen Windparks ermöglicht.

Schwerpunkt hierbei ist der Einfluss von turbulenter Einströmung auf das Verhalten von Leistung von Windenergie-Anlagen und deren Nachlaufströmung. Die in Oldenburg entwickelten Modell-Windenergieanlagen sind möglichst realistische Nachbauten großer Windenergieanlagen und ermöglichen das Erforschen der Auswirkung verschiedener Einströmbedingungen, Regelparamter auf Anlagen und Leistung, sowie den Einfluss zusätzlicher Dynamik von Anlagen, die auf schwimmenden Plattformen aufgestellt sind.

Projekte zum Forschungsthema „Turbulenz“

Forschungsprojekt EMUwind

Bei der Auslegung von größer und höher werdenden Windenergieanlagen kommt der Abbildung der realen Windbedingungen mithilfe von möglichst präzisen Windfeldmodellen eine besondere Bedeutung zu, insbesondere da diese Anlagen zunehmend durch elastische Eigenschaften beeinflusst werden. Die bestehenden Windfeldmodelle sind aufgrund der nur unvollständigen Berücksichtigung von turbulenten Strukturen und Extremereignissen nur bedingt in der Lage, dieser Bedeutung gerecht zu werden. Mit dem Verbundprojekt EMUwind sollen die Expertisen der Forschungspartner in den Bereichen neuartiger Windmessungen, Windmodellierungen und Lastberechnungen in Zusammenarbeit mit industriellen Partnern gewinnbringend kombiniert werden, um verbesserte Windfeldmodelle abzuleiten und die darin enthaltenen Unsicherheiten zu charakterisieren. Hierzu werden zum einen erweiterte Windfeldmessungen durchgeführt und gemeinsam mit bestehenden Messdaten hinsichtlich der neuen Windfeldeigenschaften und -parameter analysiert.

Forschungsprojekt MOUSE

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert das Vorhaben MOUSE (Multiskalen- und multiphysikalische Modelle und Simulation für die Windenergie) in dem verschiedene physikalische Phänomene gemeinsam über mehrere Größenordnungen und Zeitskalen hinweg betrachtet werden und Methoden des maschinellen Lernens eingesetzt werden. Bei sogenannten numerischen Simulationen werden die Lösungen komplexer physikalischer Gleichungen näherungsweise berechnet. Im Projekt sollen atmosphärische Luftströmungen und ihre Interaktion mit dem Ozean gemeinsam betrachtet werden, wobei die Forschenden außerdem gleichzeitig die elastische Verformung der Windenergieanlagen untersuchen.

Forschungsprojekt PASTA

Mit zunehmenden Rotordurchmessern und Nabenhöhen werden Windenergieanlagen schwingungsanfälliger. Dies führt dazu, dass Lasten aus den Simulationen oft nicht präzise vorhergesagt werden und im Auslegungsprozess der WEA folglich nicht korrekt berücksichtigt werden können. Diese Ungenauigkeiten im Anlagenentwurf können einerseits in einer Überdimensionierung einzelner Komponenten resultieren und damit die Herstellungskosten nach oben treiben oder andererseits zu einer zu schwachen Auslegung bestimmter Komponenten der WEA führen, die sich wiederum in erhöhten Kosten für Wartung und Instandhaltung niederschlägt. Um den nächsten Schritt in Richtung einer Präzisionssteigerung im Anlagenentwurf zu erzielen, ist daher ein verbessertes Verständnis der Auswirkung des Windfeldes auf die Lastdynamik essentiell. Dieses, vom BMWK geförderte, Projekt ist dem zeitlich begrenzten Aufschwingen von Anlagenteilen, einem oft beobachteten, aber bislang kaum behandelten Phänomen von Windenergieanlagen, gewidmet.

Schwerpunkte der Forschung

Aerodynamik von Offshore-Windenergieanlagen

Die künftigen Generationen von Windkraftanlagen werden den turbulenten Wind der Prandtl-Grenzschicht und erstmals auch die schnellen und quasi laminaren Winde der höheren Ekman-Schicht erleben. Diese Bedingungen können zu großräumigen laminar-turbulenten Wirbelschleppen hinter den Turbinen und zu schnell wechselnden Belastungen der Rotorblätter führen. Wir untersuchen diese Effekte in unserem Windkanal, indem wir realistische Anströmbedingungen für Offshore-Turbinen nachbilden.

Aerolastizität von Offshore-Windenergieanlagen

Die Rotorblätter von Offshore-Anlagen werden immer länger, schlanker und flexibler. Kombiniert mit den großräumigen laminar-turbulenten Anströmbedingungen können die Strukturschwingungen der Blätter kritisch werden. Ein erhöhter Wartungsaufwand, ein erhöhter Verschleiß oder sogar Schäden können entstehen, wenn sich Resonanzen verstärken. Nichtlineare Resonanzen als Folge von Fluid-Struktur-Wechselwirkungen sind schwierig zu modellieren und zu simulieren. Wir planen daher die Entwicklung von Laborturbinen mit Rotorblättern, die die dominierenden Schwingungen nachahmen.

Kleinskalige Turbulenzen

Kleinskalige Turbulenz spielt eine wichtige Rolle für Auslegung und Betrieb von Windenergieanlagen. Sie erzeugt räumliche und zeitliche Fluktuationen der Windgeschwindigkeit und beeinflusst damit sowohl die mechanische Belastung der Windenergieanlage als auch die Leistungsabgabe.

ForWind besitzt langjährige Erfahrung in der Erforschung kleinskaliger Turbulenz. Die Basis hierfür bildet eine vielfältige experimentelle Ausstattung, insbesondere ein Windkanal, ein Freistrahlexperiment hoher Qualität, und mehrere weitere Aufbauten. Zur Charakterisierung turbulenter Strömungen wurde eine neuartige stochastische Methode entwickelt. Sie ist in der Lage, die Komplexität dieser Systeme durch beliebige Verbundstatistiken über viele Größenskalen umfassend zu beschreiben. Auf diese Weise konnten etliche Fortschritte in der grundlegenden Erforschung der Turbulenz erzielt werden.

Darüber hinaus werden auf Basis dieser stochastischen Analyse auch Verfahren entwickelt, die in der praktischen Windenergienutzung zur Anwendung kommen.

Strömungsmodellierung in Windparks

Die Turbulenz des ungestörten Windfeldes wie auch die im Nachlauf von Windenergieanlagen künstlich angeregte Turbulenz (“Wakes”) ist von entscheidender Bedeutung für die Energieausbeute und mechanische Beanspruchung der Anlagen.

Das in Oldenburg entwickelte Modell FLaP (Farm Layout Program) wird in verschiedenen Projekten zur Bestimmung des leistungsmindernden Wake-Effektes aktuell eingesetzt. Für die Nutzung in Offshore-Anwendungen wird der Modellansatz für die herrschenden atmosphärischen Bedingungen mit zusätzlichen physikalischen Ansätzen erweitert.

Im Rahmen von Flugexperimenten mit Hubschraubern (Helipod) und Kleinflugzeugen (MAV) wurden erste neuartige experimentelle Daten zur Turbulenz und zu Wake-Effekten gewonnen.

Aktuell befinden sich Arbeiten zur Verwendung der Large Eddy Simulation (LES) zur Berechnung des turbulenten Windfeldes innerhalb eines Windparks in extrem hoher räumlicher Auflösung in Vorbereitung. Diese dienen als Grundlage zum Beispiel für die Verbesserung existierender einfacher Modelle zur Beschreibung von Nachlaufströmungen.

WissenschaftlerInnen mit Forschungsschwerpunkt Turbulenz

Wir forschen!

Prof. Dr. Joachim Peinke

Universität Oldenburg - Institut für Physik

Turbulenz, Windenergie und Stochastik

Tel: +49 (0)441 / 798-5050
E-Mail: joachim.peinke@forwind.de

Prof. Dr. Kerstin Avila

Universität Oldenburg - Institut für Physik

Grundlagen der Turbulenz und komplexer Systeme

Tel: +49 (0)441 / 798-5070
E-Mail: kerstin.avila@uni-oldenburg.de