Umweltschonender und wirtschaftlicher sollen Windenergieanlagen künftig betrieben werden können – dank eines Digitalen Zwillings. Dazu forschen nun Wissenschaftler*innen der Universität Bremen gemeinsam mit acht Partnern im neuen Projekt WindIO.
Material schonen, Wartung unterstützen, Aufwand verringern, Windausbeute steigern – initiiert durch die bremische Koordinierungsstelle ForWind – Zentrum für Windenergieforschung (Bremen, Hannover, Oldenburg) ist an der Universität Bremen ein Forschungsprojekt gestartet, das den ökologisch und ökonomisch optimalen Betrieb von Windenergieanlagen mithilfe eines Digitalen Zwillings ermöglichen soll. Dafür entwickeln ForWind-Mitglieder, das Institut für integrierte Produktentwicklung (BIK) und das Institut für elektrische Antriebe, Leistungselektronik und Bauelemente (IALB), eine Forschungs-Windenergieanlage zu einem cyberphysischen System. Der Titel des dreijährigen Forschungsprojektes lautet „Konzept und Aufbau eines cyberphysischen Systems zur ganzheitlichen Entwicklung von Windenergieanlagen“ (WindIO). Es hat einen Gesamtumfang von 3,1 Millionen Euro und wird im 7. Energieforschungsprogramm „Innovationen für die Energiewende“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit knapp 2,1 Millionen Euro gefördert. Begleitet wird das Vorhaben vom Projektträger Jülich. Neben dem BIK und dem IALB als Forschungspartner sind fünf Unternehmen als Entwicklungs- und Anwendungspartner beteiligt: CONTACT Software (Bremen), Pumacy Technologies (Berlin), fibretech composites (Bremen), Deutsche WindGuard (Varel) und SWMS Consulting (Oldenburg) sowie als assoziierte Partner Windrad Engineering (Bad Doberan), energy & meteo systems (Oldenburg) und Deutsche Windtechnik Service (Ostenfeld).
Lösung liegt im Nutzen von „Digitalem Zwilling“ Würden die technischen Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung bieten, besser genutzt, könnten Windenergieanlagen (WEA) umweltschonender und wirtschaftlicher betrieben werden, sind sich die Projektpartner sicher. Bei ihren Forschungen und Entwicklungen setzen sie auf den „Digitalen Zwilling“. Das ist das virtuelle Abbild eines real existierenden, also physischen Systems wie zum Beispiel das einer WEA. Im Projekt WindIO wird der Digitale Zwilling das dynamische Modell der Forschungs-WEA vom Typ „Krogmann 15-50“ des IALB in Bremerhaven abbilden. Auch eine zweite Forschungs-WEA der Universität Bremen wird für die WindIO-Forschungen genutzt, eine vom Projektpartner Deutsche WindGuard betriebene 3,4-Megawatt-WEA.
Vorhersage zu Betriebsverhalten und Lebensdauer Um die realen Zustände in Echtzeit digital abbilden zu können, müssen permanent Betriebsdaten aufgezeichnet und in den Digitalen Zwilling eingespeist werden. Hierfür sind zahlreiche Sensordaten erforderlich. Sind die mechanischen und elektrischen Komponenten über ein Kommunikationsnetz mit einem informationsverarbeitenden System verbunden, bezeichnet man die Anlage als ein cyberphysisches System (CPS). Der Digitale Zwilling ist eine spezielle Anwendung eines CPS. Er unterstützt bei Tests und Prognosen – von der Fertigung und Logistik über den WEA-Betrieb bis hin zur finalen Wiederverwertung von WEA. Die Verknüpfung mit Wetter- und Lastprognosen erlaubt zum Beispiel eine Vorhersage des Betriebsverhaltens und der Lebensdauer. Das Verhalten von Anlagen oder deren einzelnen Komponenten im realen Betrieb lässt sich so besser vorhersehen.
Test mit Bremer 3,4-Megawatt-Forschungs-Windenergieanlage Die auf Basis der Krogmann-WEA entwickelte Software-Architektur soll parallel für einen Digitalen Zwilling der zweiten Forschungs-WEA eingesetzt werden. So können Erkenntnisse zur industriellen Übertragbarkeit der Methodik auf größere Anlagen gesammelt und Aussagen über die Breitenwirksamkeit der Methodik getroffen werden. „Bisher werden Digitale Zwillinge in der Windenergietechnik nicht flächendeckend eingesetzt. Ein Grund dafür ist ein zumeist restriktives Informationsmanagement in der Windindustrie. Dadurch verzögert sich die Entwicklung übergeordneter Betriebs- und Optimierungsstrategien, und die Potenziale der Digitalisierung können nicht voll ausgeschöpft werden“, sagt Dr.-Ing. Christian Zorn, Leiter der Koordinierungsstelle ForWind an der Universität Bremen. Ein Projektziel liegt ihm daher besonders am Herzen: „Wir wollen mit dem WindIO-Zwilling eine Datenbasis etablieren, die den Austausch anlagenspezifischer Informationen für verschiedene Nutzergruppen ermöglicht.“